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Gesetzgebung mit Schwächen

In der vergangenen Legislaturperiode (2013-2017) hat die Große Koalition aus CDU/CSU und SPD die Unternehmen in rascher Folge mit vielen neuen arbeits- und sozialrechtlichen Gesetzen und Gesetzesänderungen konfrontiert. Für die Wirtschaft fällt das Resümee eher ernüchternd aus. Die Unternehmen werden durch die Vielzahl der arbeits- und sozialrechtlichen Vorhaben und den hohen Umsetzungsaufwand vor große Herausforderungen gestellt. Hinzu kommen die in dieser Legislaturperiode besonders auffälligen handwerklichen Schwächen, Ungenauigkeiten und Fehler bei der Gesetzgebung. Dies alles führt zu Rechtsunsicherheiten und in der Folge zu einer unnötigen Anzahl und Länge von Rechtsstreiten. Hier müssen in Zukunft deutliche Verbesserungen sichtbar werden.

Was für die Wirtschaft in NRW wichtig ist....

  • Auslegungsprobleme vermeiden

Unscharfe Gesetzesformulierungen schaffen Auslegungsprobleme. Ein Beispiel ist die Neuregelung zur Verlängerung des Arbeitsverhältnisses über das Ende der Altersgrenze hinaus. Hier spricht das Gesetz von einem nicht näher präzisierten „Hinausschieben“ und öffnet damit Auslegungsfragen völlig unnötigerweise Tür und Tor. Inzwischen liegt deshalb ein Vorabentscheidungsersuchen des LAG Bremen an den Europäischen Gerichtshof vor. Dieser wird sich mit der Europarechtskonformität der Regelung befassen müssen. Ebenso schwammig formuliert ist das im August 2014 verabschiedete Mindestlohngesetz. Damit wirft es unweigerlich die Fragen auf, die ein handwerklich so schlecht gemachtes Gesetz aufwerfen muss: Was bedeuten Begriffe wie eine „Zeitstunde“, welche Leistungen können Bestandteil des Mindestlohns sein und wie wirkt sich der Mindestlohn auf Ausschlussfristen aus? Es besteht hier erheblicher Klärungsbedarf, der die Gerichte noch eine lange Zeit beschäftigen wird.

  • Unternehmen nicht überrumpeln 


Zunehmend zeigt sich die Tendenz des Gesetzgebers, die Unternehmen auch mit folgeschweren Gesetzen zu „überraschen“. So wurde beispielsweise in das Betriebsrentenstärkungsgesetz noch kurz vor Ende des Gesetzgebungsverfahrens ein genereller Arbeitgeberzuschuss zur Entgeltumwandlung eingeführt. Dieser gesetzliche Zwang steht in einem erheblichen Widerspruch zu den vorherigen Beteuerungen des Gesetzgebers, die Verbreitung der betrieblichen Altersversorgung nur durch Anreize und nicht durch Zwang fördern zu wollen. Große Probleme ergeben sich auch aus dem nahezu überfallartig in Kraft getretenen 1. Abschnitt des Bun- desteilhabegesetzes (Verkündigung am 29.12.2016; Inkrafttreten am 30.12.2016). Die hier vorgesehene Stärkung der Schwerbehindertenvertretung belastet die Unternehmen erheblich, ohne einen Mehrwert für schwerbehinderte Menschen zu schaffen.

  • Unwägbarkeiten in der praktischen Anwendung verhindern 


Neue Regelungen werfen zwangsläufig Fragen auf. Besonders groß sind jedoch die Unsicherheiten, wenn Gesetz und Gesetzesbegründung kaum Rückschlüsse auf die Anwendung in der Praxis zulassen. Ein Beispiel hierfür ist erneut das Bundesteilhabegesetz. Hiermit soll der Kündigungsschutz von schwerbehinderten Menschen weiter verstärkt werden. So wurde neben dem allgemeinen Kündigungsschutz, dem besonderen Kündigungsschutz und der Betriebsratsanhörung ein weiterer Verfahrensschritt eingeführt: Die Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung. Wie diese Beteiligung zu erfolgen hat (Unterrichtung? Anhörung? Mitteilung der Entscheidung?), lässt sich gegenwärtig nicht zuverlässig beantworten. Gleiches gilt im Hinblick auf die Reihenfolge der unterschiedlichen Verfahrensschritte (Beteiligung des Integrationsamtes, Betriebsratsanhörung, Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung). Nicht einmal die Integrationsämter selbst können hierzu eine einheitliche und verlässliche Einschätzung abgeben. In der Literatur werden – wohl gemerkt allein für die Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung – neun einzelne Verfahrensschritte genannt. Angesichts dieser Ausgangslage stellt man sich die Frage, warum alle Beteiligten im Umgang mit der Neuregelung völlig im Regen stehen gelassen werden. Und wem soll die Neuregelung nützen? Den schutzbedürftigen schwerbehinderten Menschen ganz sicher nicht – denn die Unwägbarkeiten führen in der Praxis dazu, dass Unternehmen eher die Ausgleichsabgabe zahlen als einen schwerbehinderten Menschen einstellen.

  • Symbolpolitik vermeiden 


Neue Gesetze und Gesetzesänderungen dürfen nicht für Symbolpolitik missbraucht werden. Ein Tiefpunkt in dieser Hinsicht bildet das Entgelttransparenzgesetz vom Juli 2017. Ziel des Gesetzes ist es, das Gebot des gleichen Entgelts für Frauen und Männer bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit durchzusetzen. Im Mittelpunkt steht ein individueller Auskunftsanspruch in Betrieben mit mehr als 200 Beschäftigten. Abgesehen davon, dass die Ausgangsüberlegungen des Gesetzgebers schlichtweg falsch sind – der kolportierte Lohnunterschied von 21% zwischen Frauen und Männern lässt unterschiedliche Tätigkeiten und Erwerbsbiografien außer Acht –, enthält das Gesetz eine Reihe von rechtlichen Unzulänglichkeiten. Es schafft weitere Bürokratie für die Unternehmen und führt zu erheblichen Störungen des Betriebsfriedens. Angesichts der eher symbolisch aufgeheizten Debatte um die Lohnunterschiede stehen die Belastungen für die Betriebe in keinem Verhältnis zu den Erwartungen an den Nutzen dieses neuen Gesetzes.